Eine kurze Geschichte der Klimaforschung und der langanhaltenden Ignoranz

Der sogenannte Treibhauseffekt geht auf eine Entdeckung aus dem vorletzten Jahrhundert zurück. Der französische Mathematiker und Physiker Jean Baptiste Joseph Fourier hatte ihn im Jahr 1824 entdeckt. Es hat dann noch etwa 40 Jahre gedauert, bis der irische Physiker John Tyndall die hieran beteiligten Gase bestimmen konnte. Bereits 1873 schlug der italienische Geologe Antonio Soppani „Anthropozoikum“ als Bezeichnung für ein neues Erdzeitalter vor, in dem der Mensch einen ähnlich großen Einfluss auf das Erdsystem ausübt wie die Natur selbst. Statt wie damals den Beginn der Industrialisierung um 1800 als epochalen Wendepunkt der Erdgeschichte zu definieren, datiert die Wissenschaft heute den Zeitpunkt der Klimaveränderung, für den sich in den letzten 66 Millionen Jahren keine Entsprechung mehr finden lässt, auf etwa 1950 und nennt das neue Erdzeitalter Anthropozän.

Der große Durchbruch in der Klimaforschung gelang im Jahre 1896 dem schwedischen Nobelpreisträger Svante Arrhenius mit einer bahnbrechenden Arbeit zum Treibhauseffekt. Auf Grund seiner Arbeit weiß man schon seit über einem Jahrhundert, dass die Menschen eine Klimaänderung in Form einer Erderwärmung verursachen, indem sie große Mengen von CO2 in die Luft pusten.

Nun standen damals der Wissenschaft keine Computer, Satellitenaufnahmen oder Messgeräte zur Verfügung und die Prognosen beruhten ausschließlich auf monatelangen bis jahresfüllenden Berechnungen. Bis in die 50er Jahre glaubten noch viele Wissenschaftler, die Meere könnten das vom Menschen in die Luft geblasene CO2 komplett aufnehmen und daher sei kein gravierender atmosphärischer CO2-Anstieg zu erwarten. In meinem Geburtsjahr 1957 änderte eine Publikation der Geochemiker Roger Revelle und Hans E. Suess, die den schnellen Anstieg des CO2 in der Atmosphäre thematisierte, diese Auffassung und im Folgejahr wurde durch Charles D. Keeling mit Messungen begonnen. Diese Messungen belegten, dass Revelle und Suess recht hatten und stellen einen Wendepunkt in der wissenschaftlichen Wahrnehmung dar. Heute verfügt die Wissenschaft über ein weltweites Netzwerk an Messstationen (www.esrl.noaa.gov/gmd/ccgg/flask.ph…) deren Daten jedoch der Politik bisher keine wirkungsvollen Maßnahmen abringen konnten.

Dabei war es die Weltpolitik selbst, die 1988 den Weltklimarat (IPCC) gegründet hatte. Die jedes Jahr stattfindenden Weltklimakonferenzen scheiterten regelmäßig und obwohl kein Politiker mehr sagen konnte, er hätte davon nichts gewusst, gehen die Temperaturen rapide in die Höhe und der atmosphärische CO2 Gehalt steigt immer rasanter an. Seit 2000 ist der weltweite Kohlendioxidausstoß um ungefähr 50 Prozent gestiegen.

Eine gradezu an Augenwischerei grenzende verräterische Floskel enthält die Erklärung des Weltwirtschaftsgipfels 2007 in Heiligendamm: „Wir erwägen ernsthaft, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zur Mitte des Jahrhunderts zu halbieren.“ Der Meteorologe und Klimaforscher Mojib Latif kommentierte das mit einem treffenden Gleichnis: „Versuchen Sie mal einen Kredit von ihrer Bank zu bekommen und sagen dem Banker oder der Bänkerin ihres Vertrauens, dass Sie ernsthaft erwägen, den Kredit zurückzuzahlen. Sie glauben gar nicht, wie schnell das Gespräch beendet sein wird.“

Das Jahr 2007 fällt mir auch noch mit einer weiteren Absonderlichkeit ins Auge: der Baubeginn des Kohlekraftwerk Hamburg Moorburg, seit 2014 dann in Betrieb mit einem jährlichen CO2 Ausstoß von 8,5 Millionen Tonnen. Das ist nur ein Beispiel der Hinwendung zur Kohle auch in Deutschland, weshalb auch bei uns der CO2 Ausstoß inzwischen wieder steigt.

Das Pariser Klimaabkommen 2015 hatte auch mir Hoffnung gemacht. Aber der Klimavertrag basiert auf der Selbstverpflichtung der einzelnen Länder. Nicht einmal wir sind in der Lage diese zu erfüllen. Zu dieser Ignoranz im eigenen Land fällt mir nun wirklich nichts mehr ein, das lässt sich mit Worten gar nicht mehr beschreiben.
Da niemand weiß, ob sich der Klimawandel überhaupt auf einem für uns erträglichen Niveau einpendeln kann, sollte man statt weiter Gas zu geben doch endlich mal auf die Bremse treten. Der Bremsweg ist doch schon heute unvorhersehbar lang, weil CO2 Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende in der Atmosphäre verweilen kann.

Auf den Rückgang des arktischen Meereises hatte Arrhenius schon vor über 100 Jahren hingewiesen. Bereits 2012 ist gegenüber dem Mittelwert der Jahre 1981 bis 2010 durch Satellitenmessungen eine Schrumpfung von 44 Prozent festgestellt worden. Dieser Rückgang facht den Treibhauseffekt zusätzlich an, da weniger helle Fläche eben auch weniger Sonnenlicht in den Weltraum zurück reflektieren kann. Im März 2017 hat man nun auch auf der Südhalbkugel die geringste antarktische Meereisausdehnung seit Beginn der Satellitenmessung registriert. Obwohl wir nun wissen, dass unser Planet schon unter anderen auch diesen Turbolader des Treibhauseffekts angeschmissen hat, sind selbst wir hier in unserer aufgeklärten Gesellschaft nicht in der Lage den CO2 Ausstoß zu reduzieren? Welche Unumkehrbarkeit muss denn noch passieren?
Die durch den Klimawandel entstandenen und noch entstehenden Schäden setze ich mal als zumindest teilweise bekannt voraus. Die damit verbundenen Kosten tragen wir alle, bezahlen vielleicht sogar mit dem Leben zumindest künftiger Generationen. Was für eine bescheuerte Subventionspolitik ist denn das, bitte sehr? Außerdem vergeuden wir durchs Verbrennen wertvolle Ressourcen, die dann künftigen Generationen für sinnvollere Produkte nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese Absurdität treibt’s auf die Spitze, dass alleine in Deutschland fossile Energieträger immer noch mit jährlich € 46 Milliarden subventioniert werden. Hallo?

Meine Schlussbemerkung richte ich daher besonders an diejenigen, denen Marktregulierung zuwider ist und die trotz aller Erfahrung immer noch auf die ‚Selbstheilungskräfte‘ des Marktes vertrauen. Schon Albert Einstein sagte: „Die gewaltigen Probleme unserer Zeit können nicht mit derselben Denkart gelöst werden, welche jene Probleme hervorgebracht haben.“

Mit anderen Worten und aktuellem Bezug: Eine Jamaika Koalition die keine klaren Vereinbarungen zur CO2 Reduktion beschließt, die auch keine in ihrer Legislatur diesbezüglich nachprüfbaren Eckpunkte definiert, brauchen wir und die Welt nicht.

Diesen Gedanken sollte mal jeder in die Partei seines Gefallens oder Engagements tragen. Denn eines ist sicher: Wenn nicht jetzt ein eindeutiger Richtungswechsel erfolgt, dann werden wir später um knallharte Verbote nicht herumkommen. Am Beispiel des FCKW-Verbots wird deutlich, dass Verbote sehr nützlich sein können.
Wir sind die erste Gesellschaft des Anthropozän und sollten als vernunftbegabte Lebewesen dieses neue Erdzeitalter mit etwas mehr Vorsicht angehen, als es unseren Vorfahren mangels Erkenntnis gegeben war. Mit dieser Empfehlung bin ich ja bereits in guter Gesellschaft, aber leider muss man das ja wohl immer wieder wiederholen, damit wir den Kollisionskurs mit der eigenen Zukunft endlich mal verlassen.