Es gibt keinen „Über-Nacht-Erfolg“

Mit Fördern und Fordern zum nachhaltigen Erfolg

Für Frank Otto muss sich Künstleraufbau auch wirtschaftlich tragen, deshalb sucht er Künstler, die nicht “schlapp machen”.

Musikmarkt: Herr Otto, Sie sind Förderer, aber kein Wohltäter, Sie sind Unternehmer, aber gleichzeitig sehr engagiert, was das Entdecken und Entwickeln von Künstlern und Bands angeht. Wie sehen Sie selbst Ihre Rolle bei diesem Spagat zwischen wirtschaftlichem Erfolg und künstlerischer Herausforderung?

Frank Otto: Für alles, was Popkultur ist, habe ich den Anspruch, dass es Teil unseres Lebens ist. Und Leben heißt eben unter anderem auch, dass es sich wirtschaftlich tragen muss. Das gehört zu meinem Verständnis von Rock’n Roll. Und Sie haben es in der Frage eigentlich schon ganz richtig beschrieben, genau diese Gratwanderung zwischen solider Finanzierung und künstlerischer Herausforderung ist das, was ich suche. Ich würde sagen, was wir hier als Label machen, ist eine Dienstleistung; eine Dienstleistung für die Künstler, die wir unter Vertrag nehmen, aber auch eine Dienstleistung für das Publikum, indem wir Künstler auswählen, die dieses Publikum interessiert. Für die eine Seite sind wir so etwas wie ein Kurator, für die Künstler sind wir Begleiter und Förderer ihrer künstlerischen

Fordern und Fördern?

So könnte man es sagen.

Was genau könnten Sie denn mit Ihrem Label Ferryhouse einem in Ihren Augen viel versprechenden Künstler anbieten, was er woanders nicht kriegen würde?

Zunächst einmal können wir uns als Independent nicht Dinge erlauben, die große Risiken und Aufwendungen bedeuten würden. Was wir uns aber erlauben können ist, auf der langen Strecke einen Künstler aufzubauen und zu entwickeln, und das über mehrere Alben hinweg.

Was ja schon eine ganze Menge ist.

Ja, aber Musik ist auch Handwerk, und wenn Sie einen Tisch schreinern lassen, möchten Sie sich den auch nicht gerade vom Lehrling bauen lassen. Sie erwarten zu Recht Qualität und diese Qualität muss heranreifen. Und die reift bei einem Künstler nur dann heran, wenn er Publikum hat. Nur dann gibt es eine Interaktion, die ihn reifen lässt. Und mit Publikum meine ich natürlich nicht Freunde oder Bekannte, die in der Regel voreingenommen sind. Sondern ein Publikum, das unterhalten werden will, denn das genau ist das Publikum, das einen Künstler prägen kann. Und natürlich sage ich jedem, der mit uns zusammenarbeiten will, dass wir uns in einem Umfeld bewegen, in dem jährlich Unzählige versuchen, mit ihrer Musik erfolgreich zu werden, aber es nur die wenigsten schaffen. Junge Künstler müssen das wissen, weil es ja oft den Anschein hat, als würde man über Nacht erfolgreich, wie aktuell zum Beispiel Unheilig. Aber dieser „überraschende Über-Nacht-Erfolg“ hat sich mit dem siebten Album und nach zehnjährigem Bestehen der Band eingestellt. Also, das langfristige Denken kann nicht so ganz verkehrt sein.

Nach welchen Kriterien wählen Sie denn die Künstler aus, die Sie unter Vertrag nehmen wollen?

Die Musik muss überzeugen und der Künstler mit seiner Persönlichkeit muss überzeugen. Man muss erkennen können, dass der nicht auf der Hälfte der Strecke schlapp macht. Ich will sehen, mit welcher Ernsthaftigkeit er Musik macht und ob es das langfristige Bemühen gibt, sich weiter zu entwickeln und zu verbessern. Diesen Lernprozess beobachte ich bei allen unseren Künstlern und Bands.

Es heißt immer wieder, der Nachwuchs habe es schwer in Deutschland, trotz unterschiedlichster Förderung sei es sehr mühsam, sich durchzusetzen. Teilen Sie diese Meinung?

Mühsam war es immer. Aber viele Künstler mit Potenzial fallen durch das Raster, weil ihnen keine Zeit gegeben wird. Das ist der Grund gewesen, warum ich Ferryhouse, was ja ursprünglich eine Produktionsfirma war, zum Musiklabel umfunktioniert habe. Das Publikum wird es der Branche nicht verzeihen, wenn bei uns in Deutschland keine neuen Künstler mehr entwickelt werden. Klar, ich kann und will nicht alle, die suchen, unter Vertrag nehmen, aber ich kann einen Beitrag leisten. Und der Zeitpunkt für die Gründung eines Labels war optimal, weil gerade in diesen schwierigen Zeiten die Auswahl hervorragender Künstler, die veröffentlichen wollen, so groß ist wie nie zuvor.

Das Interview führte Stefan Zarges

Zur Person:

Seit 1987 ist der 54-jährige Musikfan und Versandhauserbe als Medienunternehmer (Frank Otto Mediengruppe) in Hamburg tätig. Er beteiligte sich an zahlreichen Radio- und Fernsehsendern, war einer der Mitgründer von Viva sowie von 1994 bis 2004 Herausgeber der Hamburger Morgenpost. 2005 gründete Frank Otto die Ferryhouse Productions und kürzlich mit greencapital.tv einen Internet-TV-Sender zum Thema Umweltschutz. Sein Engagement für junge Künstler wurde bereits belohnt. So war Ferryhouse im Frühjahr Mitpreisträger des LEAs für Nachwuchsförderung als Teil des Teams um Philipp Poisel.