Frank Otto – erfolgreich anders (verde Ausgabe 3/2011) von G. Hauptmüller

So sieht ein Wohlfühlbüro aus. Mit großen Schreibtisch und einem noch größeren Besprechungstisch. An den Wänden Bilder in verschiedenen Formaten, Farben und Stilen; viele große und kleine Andenken füllen jeden Zentimeter des Zimmers. Praktisch und dennoch gemütlich, voller Ankerpunkte der Erinnerungen. Dazu ein in die Wand eingelassenes Aquarium mit Süßwasserfischen und Korallen, das für stetige Bewegung in dem Raum sorgt. Die Arbeitswelt des Medienmachers Frank Otto.

„Das hätte ich mir nicht träumen lassen“, resümiert der blonde, langhaarige Frank Otto und kann sich wirklich wundern wie ein kleiner Junge:„Da habe ich als junger Mann noch im dunkelblauen Troyer in Brokdorf demonstriert. Ich wurde belächelt und bekämpft. Und nun ist die Antiatomkraftbewegung und mit ihr die Grünen in der Mitte der Gesellschaft angekommen, ist der Atomausstieg beschlossene Sache…“. Er war beim Gründungsparteitag der Grünen dabei, war aber nie Mitglied. Wenn er sich über etwas wundert, nachdenkt oder sich erinnert, geht der Blick nach innen und gleichzeitig nach links oben oder zum bunten und doch beruhigendem Aquarium. Nein, so richtig fassen kann er die Entwicklung noch nicht. Dabei hat er doch selbst einen recht ähnlichen Prozess durch gemacht: Vom enfant terrible zum erfolgreichen Trendsetter.

Geboren 1957 als Sohn von Werner Otto, dem Gründer des Otto Versands, fühlt er sich als Einzelkind. Die älteren Geschwister aus der ersten Ehe des Vaters schon zu alt für ihn und die jüngeren Geschwister aus der dritten Ehe des Vaters wiederum zu jung für einen engeren Kontakt. Sein Vater ist die Person, die Kontinuität für ihn bedeutet.

Er sagt über sich selbst:“Ich war ein schwieriges Kind.“ Der Vater hält den Kontakt, auch als sich Frank zusehends zum dickköpfigen Rebell entwickelt. Doch der Vater wahrt eine gewisse Distanz im Alltäglichen, dadurch lernt sein Sohn verschiedene Internate kennen. Frank Otto bilanziert mit einer gewissen Süffisanz: „Damals hielt man Internatserziehung ja noch für etwas Gutes!“ Er bleibt dabei zwar äußerlich ganz ruhig und gelassen, aber man spürt, dass ihm diese Zeit unbehaglich war. Abmontierte Fenstergriffe stehen für ihn nicht für die traute Internats-Behaglichkeit à la „Hanni und Nanni“. Genauso wie spürbar ist, dass da jemand sitzt, der mit den Verletzungen, die er erfahren hat im Reinen ist, weil er sich immer dagegen gewehrt hat.

Mit vierzehn Jahren der erste Schulverweis, mit knapp achtzehn der dritte. Das er fast volljährig ist, nutzt er, um seine Schul- und Internatskarriere vorzeitig zu beenden. „Ich will mit meiner Hände Arbeit Geld verdienen“, wird zu seinem Lebensziel. Er ist stolz, dass er es ohne den Einfluss seines Vaters, die Ottos gehören mittlerweile zu einer der reichsten Familien Deutschlands, eine Ausbildung zum Restaurator für Papier und Grafik im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg findet. Er ist noch stolzer, als er hinterher die Werkstattleitung übernehmen soll.

Seinen Vater bewundert er, damals wie heute. Er erzählt von dessen Armut, von der Verfolgung unter den Nazis, von dessen eigenen künstlerischen Neigungen, aber auch von der Schlitzohrigkeit und vom Ideenreichtum. Er erzählt, wie der Vater die Kinder für seine Projekte begeisterte und sie zusammen mit ihm Visionen entwickelten. Von dessen sozialer Ader, die er als Stifter und Mäzen auslebte, von dessen Aktivitäten, die zur Gründung diverser Firmen wie Otto-Versand, ECE, Hermes, Sagitta u.a. führten.

Aber da ist genauso die Genervtheit, einen Vater von so hoher gesellschaftlicher Bedeutung zu haben. Wenn er eine Klassenarbeit verhaut, bekommt er zu hören: „Du musst dich mehr anstrengen, das bist du deinem Vater schuldig.“ Aber ist es der Junge neben ihm seinen Vater nicht genauso schuldig? Wieso bekam der solche Sätze nicht zu hören?

Frank Otto taucht im Schulterblatt in einer WG unter. Er wohnt in Barmbek. Er genießt die Freiheiten der links alternativen Szene, in der keiner fragt, wessen Sohn er ist, sondern nur, was er kann und welche Überzeugungen er hat. Es ist die Zeit von Brokdorf. Er macht seinen Zivildienst in einem alternativen Kinderhaus. Um das Kinderhaus zu finanzieren, hilft er Benefizkonzerte zu organisieren.

Neben seiner Leidenschaft für die Malerei, die er unter anderem in einem Kunststudium in Kiel auslebt, tritt die Musik zunehmend in den Vordergrund. Er lernt Konstantin Wecker und Alexis Korner kennen, dessen Aufkleber „legalize it!“ heute noch am Schlagzeug von Frank Otto klebt. Die Lebenseinstellung dieser Musiker fasziniert ihn. Er gründet selbst eine Band, die „City Nord“ heißt und tourt als Schlagzeuger durch die Bundesrepublik. Sein Vater, der seine eigenen künstlerischen Ambitionen einst zurück stellte, sorgt dafür, dass der Sohn finanziell den Rücken frei hat.

Seine politischen Ambitionen stellt Frank Otto hinten an. Weder mag er die Illoyalitäten, noch die halben Wahrheiten, mit der in der Politik oft taktiert wird. Aber etwas nimmt er aus der Zeit der Bürgerinitiativen und der Antiatomkraftbewegung für sich mit: Er kann gut reden und Menschen mit unterschiedlichsten Interessen zusammenführen und für einen Interessenausgleich sorgen.

Auf anderer politischer Ebene werden in der Zeit die Weichen für die Privatisierung von Radio und Fernsehen gestellt. Instinktsicher für zukünftige Trends sieht Frank Otto die Vorteile dieser Entwicklung und bewirbt sich zusammen mit vielen anderen alternativen Initiativen für eine Radiofrequenz in Hamburg: Der Medienmensch Otto betritt die Bühne.

Am Anfang herrscht Chaos in dem neuen, politisch links-alternativen und deshalb basisorientierterten Sender. Doch bereits nach der zweiten Sendestunde kommt es zum Eklat bei OK-Radio. Umstrittene Veröffentlichungen zur Barschel sorgen für Streit innerhalb der Gruppierung. Dadurch tritt ein Konstruktionsfehler im Sendekollektiv offen zu tage, denn es gibt keine klaren Verantwortlichkeiten und Vertretungsberechtigungen. Ein Zustand, den sich die Landesmedienanstalt nicht gefallen lässt. Sie eröffnet ein Verfahren, um OK-Radio die Sendelizenz zu entziehen. Es sind turbulente Zeiten, in denen der Netzwerker Otto brillieren kann. Die ‚taz‘ titelt über Ottos Rolle in den verschiedenen Auseinandersetzungen: „Der Hoffnungsträger“. Streng nach dem Frank Otto´schen Motto: „Wenn ich etwas anfange, bringe ich es auch zu Ende“ schreibt er den ersten Business-Plan seines Lebens und bewirbt sich in Absprache mit den Beteiligten selbst um die Sendefrequenz, damit diese nicht eingezogen und an kommerzielle Konkurrenten vergeben wird. Vater Otto ist glücklich: Ein Wirtschafts-Plan, das bedeutet den ersten Schritt ins Management…

Die taz behält übrigens Recht, die Frequenz geht an Otto. OK-Radio erblickt nach einem Jahr der Überarbeitung die Medienwelt. Gleichzeitig die Geburt des zielgruppengerechten Radios. Mit VIVA! folgt das ziegruppenorientierte Fernsehen. Es kommen weitere Beteiligungen an Zeitungen, wie das Hamburger Stadtmagazin „Hamburg Pur“ und

die Hamburger Morgenpost (Mopo) dazu. Wenn etwas sein Ding ist, dann die zukünftige Entwicklung von Medien, auch wenn das für ihn persönlich bedeutet, sich zunehmend vom Macher zum Manager zu entwickeln.

Doch Frank Otto sieht sich selbst nach wie vor als Künstler, als Individualisten, als Wegbereiter für Neues und Trendsetter. Er braucht die Auseinandersetzung mit dem Medium Kunst und den Menschen. Für den Kinofilm „trip-Remix your Experience“ schreibt er die Filmmusik. Und kehrt zu seinen künstlerischen Wurzeln Musik und Malerei zurück. 33 Regisseure setzen seine Musik in Bilder um. Das avantgardistische Projekt reist durch die ganze Welt mit Abschlussinszenierung in New York. Und wenn dafür ein Musiklabel gegründet werden muss: Willkommen „ferryhouse“.

Doch damit der Umtriebigkeit nicht genug: Frank Otto engagiert sich in verschiedenen Hamburger Organisationen wie Hamburg Leuchtfeuer oder für die Stiftung Luka. Er stellt seinen Prominenten Namen für innovative Projekte zur Verfügung. Unterstützt, wie seine Halbbrüder Michael und Alexander, auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz fokussierende Stiftungen und engagiert sich mittlerweile selbst mit dem Internetfernsehen greencapitel.tv für den Umweltschutz.

Und da die Zukunft nie aufhört, verfolgt Frank Otto ständig weitere Projekte, wie die Umsetzung von

Musik in Werkstoffe, die später in der Architektur eingesetzt werden können.

Morgen ist für Frank Otto halt schon heute.