Über Geld spricht man n...

Er investiert am liebsten in Luft und Liebe: Ein Gespräch mit dem Unternehmer Frank Otto

Sein Vater Werner Otto gründete den Otto-Versand und wurde reich. Seine Brüder setzen mit dem Familienimperium Milliarden um. Frank Otto dagegen war Mitglied der linksradikalen Bunten Liste, studierte Kunst und betreibt heute eine Plattenfirma.

DIE ZEIT: Herr Otto, ausgerechnet 2007, als die Musikindustrie längst tief in der Krise steckte, haben Sie ein Plattenlabel gegründet. Das rechnet sich doch nicht, oder?

Frank Otto: Ich bin einfach antizyklisch. Ich habe damals gesagt: Es gibt so viele großartige Musiker, die bei den Plattenfirmen keinen Vertrag mehr bekommen, also gründe ich selber eine.

ZEIT: Sie sind der Idealist in der Familie?

Otto: Ich investiere in Luft und Liebe. Luft steht für die Ätherwellen – ich betreibe mehrere Radiosender. Liebe ist alles rund um die Musik, wie mein Plattenlabel. Aber ich mach ja auch andere Sachen, zum Beispiel Social Business.

ZEIT: Sie meinen, wenn Sie wie derzeit in Langenhorn ein großes Grundstück kaufen, um dort Flüchtlingswohnungen zu bauen?

Otto: Nein, das ist schon ein Immobiliengeschäft, aber eben in einer sozialen Verantwortung. Ich glaube nicht, dass die Stadt jedem Unternehmer so ein Grundstück anvertrauen würde.

ZEIT: Die Sozialbindung der Wohnungen läuft nach 15 Jahren aus, dann haben Sie eine Immobilie mit frei vermietbaren Wohnungen. Sind Sie ein Profiteur der Flüchtlingskrise?

Otto: Das glaube ich nicht. Wir wissen ja noch gar nicht, wie viel das Grundstück kostet und ob die Mietpreisbindung 15 oder 30 Jahre gelten wird. Die Stadt nimmt jetzt Investoren mit rein, damit sie nicht alles selbst zahlen muss. Es wird immer so getan, als könnte man damit ein Wahnsinnsgeld verdienen – kann man vielleicht eines Tages auch. Aber wie alt bin ich dann bitteschön?

ZEIT: Hat es sie verletzt, dass Sie bei einer Bürgerversammlung vor Ort ausgebuht wurden?

Otto: Ich war auf dem Gründungskongress der Grünen, da habe ich ganz andere Sachen erlebt.

ZEIT:: Davor waren Sie bei der linksradikalen Partei Bunte Liste. Gefällt Ihnen die Rolle des Enfant terrible der Familie Otto?

Otto: Ich weiß gar nicht, ob ich das bin. Bei uns sind alle Jungs ins Kaufmännische gegangen und die Mädels in die Kunst. Ich war so in der Mitte. Mein Vater ist 1913 geboren, noch im Kaiserreich, für seine Generation war er ein moderner Mann, aber eben auch ein Patriarch. Er wollte, dass seine Söhne ins Unternehmen kommen. Da bin ich ausgeschert. Ich habe als Restaurator gearbeitet, den Kriegsdienst verweigert und Kunst studiert, bin Musiker. Mein Vater war nie auf einem meiner Konzerte, das war eine fremde Welt für ihn.

ZEIT: Deshalb hatten Sie eine Art Deal mit Ihrem Vater.

Otto: Ja, wir verständigten uns darauf, dass ich bis zum 30. Lebensjahr keinen Zugriff auf meinen Anteil des Familienvermögens haben sollte.

ZEIT: Weil ihr Vater befürchtete, dass sie das Geld verjuxen oder den Grünen geben?

Otto: So in der Richtung, ja.

ZEIT: Hätte die Gefahr bestanden?

Otto: Ich war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls damit überfordert. Wer sich mit künstlerischen Fragen auseinandersetzt, für den ist Geld eher eine profane Notwendigkeit, fast vergessen wenn der Kühlschrank wieder voll ist.

ZEIT: Woher kam das Bedürfnis, andere Wege zu gehen?

Otto: Ich war auf einem Jungsinternat, mit Einheitsdress. Es gab unheimlich hohe Erwartungen an mich. Ich musste gut in der Schule sein, es hieß: „Das bist du deinem Vater schuldig“. Ich habe mich gefragt: Wieso bin ich meinem Vater etwas schuldig und andere Kinder ihrem nicht? In mir lag eine gewisse Renitenz, das lag in der Zeit. In meinem Internat herrschte Angst, dass die 68er-Stimmung auch uns ergreift. Wir durften weder Zeitung lesen noch Musik hören.

ZEIT: Haben Sie aber trotzdem gemacht?

Otto: Als ich auf einer Sprachreise in England war hab‘ ich psychedelische Musik entdeckt und kam mit langen Haaren wieder. Ich hatte plötzlich das Gefühl: Da draußen gibt es Leute, die mich verstehen.

ZEIT: Sie haben schon früher lieber mit den, wie Sie sagen, Schmuddelkindern, gespielt…

Otto: Das waren Schlüsselkinder aus Osdorf und die hatten immer irgendwelche aufregenden Sachen vor. Das gab’s bei den Kindern aus gutem Hause nicht. Im Winter mit dem Gokart auf einem zugefrorenen See fahren, auf Baustellen herumstromern oder eine Expedition in die Kanalisation.

ZEIT: Hatten Sie manchmal das Gefühl, dass die anderen Kinder sich an Sie dranhängen, weil Sie mehr Geld haben?

Otto: Ich war nicht sonderlich verwöhnt, was Taschengeld angeht. Mit zehn bekam ich 50 Pfennig pro Woche. Bis zur Volljährigkeit steigerte sich das auf 36 Mark im Monat.

ZEIT: Also sind Sie nicht mit dem Porsche um die Alster gefahren?

Otto: Nein, aber ich war gut darin, Dinge zu Geld zu machen: eine überzählige Jeans zu verkaufen oder ein Schwein, dass ich auf dem Jahrmarkt gewonnen hatte, an einen Bauern. Ich habe mir Annehmlichkeiten ohne elterliche Beigabe organisiert. Und ich war gut im Tipp-Kick und habe dadurch Geld gemacht.

ZEIT: Das Sie dann wofür ausgegeben haben?

Otto: Zigaretten, Süßigkeiten, so was.

ZEIT: Drogen?

Otto: Damals nein, überhaupt nicht. Mein erster Joint kam von der Polizei. Freunde von mir hatten eine Ausstellung in der Asservatenkammer besucht und was mitgehen lassen.

ZEIT: Wie gut können Sie mit Geld umgehen?

Otto: Was mein Vater aufgebaut hat, möchte ich weiterreichen an meine Kinder. Das rühre ich nicht an. Aber den Überschuss investiere ich in Dinge, die ich richtig finde.

ZEIT: Wie viel Geld haben Sie damals von ihrem Vater bekommen?

Otto: Das waren Beteiligungswerte, das kann man in Geld nicht so richtig fassen. In jedem Fall war ich nicht derjenige, den mein Vater in einer verantwortungsvollen Position gesehen hat. Dafür war ich ihm zu exotisch. Außerdem war die Ehe zwischen meiner Mutter und meinem Vater sehr kurz, dadurch hatte ich keine Lobby in der Familie.

ZEIT: Haben Sie mal überlegt, was wohl ohne das Geld aus Ihnen geworden wäre?

Otto: Wahrscheinlich wäre ich in der Kunst geblieben, ich habe ja keine kaufmännische Ausbildung. Aber ich hatte nun mal Geld, also musste ich etwas damit anfangen. Als mein 30. Geburtstag nahte, gründeten sich grade viele Privatradios. Freunde sagten: Das dürfen nicht nur die Großen machen. Du bist ein Mann der Kultur und ein politisch denkender Mensch, du musst dich da engagieren. Also habe ich meinem Vater einen Businessplan für einen jungen Radiosender vorgelegt.

ZEIT: Das war der Beginn von „OK Radio“, einem Hamburger Kultsender. Wie viel haben Sie investiert?

Otto: Als die ersten 3 Millionen D-Mark durch den Schornstein waren, hat mein Vater gesagt: Jetzt ist Schluss.

ZEIT: Aber Sie haben weitergemacht.

Otto: Das verdanke ich meiner Schwester. Sie hat in den USA Film studiert und gesagt: Papa, wenn mein erster Film floppt, machst du das dann auch so mit mir? Als schließlich die Analysen kamen, hatten wir doppelt so viele Hörer wie erwartet, obwohl alle Studien prophezeit hatten, dass junge Leute keinen eigenen Radiosender brauchen.

ZEIT: Sie müssen sehr von Ihrer Idee überzeugt gewesen sein.

Otto: Wenn ich etwas in der Kunsthochschule gelernt habe, dann, meiner eigenen Wahrnehmung zu trauen. Die Musik, die ich Abends in Bars gehört habe, war absolut nicht das, was im Radio lief. Die coolen Leute haben einfach kein Radio mehr gehört. Für die wollte ich was Neues machen.

ZEIT: Jetzt gehören ihnen vor allem Dudelfunk-Sender. Da sind sie sich nicht treu geblieben?

Otto: Konnte ich nicht, es gab dann die öffentlich-rechtliche Antwort auf OK-Radio. Da wurden mir mit Gebührengeld die Hörer abgegraben. Mitte der 90er mussten wir OK-Radio einstellen.

ZEIT: Werden Sie eigentlich oft anpumpt?

Otto: Fast täglich, ich falle den Hamburgern einfach oft als Erstes ein. Ich musste mich daran gewöhnen, Nein zu sagen. Auch, weil es mich immer mit dazu gibt: Wenn ich mich finanziell engagiere, ist mein Kopf mit dabei, sonst läuft das nicht.

ZEIT:Haben Sie manchmal Angst, dass Menschen Sie nur Ihres Geldes wegen mögen?

Otto: Ja, dieses Gefühl ist immer da. Aber ich kann jetzt damit umgehen. Bei manchen Menschen bin ich mir sehr sicher, dass es nicht so ist. Bei vielen weiß ich es einfach nicht. Das ist wohl ausgleichende Gerechtigkeit: wenn man viel Geld hat, kann man sich in anderen Dingen einfach nie so sicher sein.

Das Gespräch führten Hanna Grabbe und Christoph Twickel